Prä-faschismus *)

Prä-faschismus *)

Ein Text zur Instrumentalsierung von „Aschaffenburg“ für die unsägliche Migrationsdebatte –
von Karl-Heinz Goll, 08.02.2025

*) “Präfaschismus ist ein Begriff für eine Radikalisierung des Konservatismus, die faschistische Elemente antizipiert.“ (Wikipedia)

Vor der Bundestagswahl 2025 eskaliert der Parteienstreit zur „Eindämmung der illegalen Migration“. Schon wochen­lang und an vorderster Stelle walzen die Medien dieses Thema aus. Höhepunkt waren die Bundestagsdebatten, in denen CDU und Teile der FDP, auch des BSW, gemeinsam mit der AfD abgestimmt haben. Besonders die AfD hat profitiert.

Ganz und gar niemand hat im Bundestag die Frage gestellt, was die teils psychisch kranken oder islamistischen Tä­ter von Aschaffenburg, Solingen, Mannheim oder Magdeburg mit den Hunderttausenden friedlicher Asylbewerber und Migranten zu tun haben. Diese werden statt dessen kollektiv in Haft genommen, unter Generalverdacht gestellt, als wären die fürchterlichen Einzeltaten mit einem „Zustrombegrenzungsgesetz“ bzw. einer „Remigration“ der AfD zu verhindern.

Es gibt schlimme Verbrechen von eingeborenen Deutschen wie die Morde des NSU oder das Massaker von Hanau. Zahlreiche Mordtaten von psychisch kranken Deutschen werden – wenn überhaupt – unter ferner liefen in den Medien erwähnt. Niemand kommt auf die Idee, die deutsche Bevölkerung pauschal für diese Taten in Haft zu nehmen, unter Generalverdacht zu stellen. Dass dies aber mit den „Zugeströmten“ geschieht, ist das Unsägliche, das faschistoid-Ausgrenzende, das Prä-faschistische, das an den antisemitischen Wahn der Nazizeit erinnert.

Judenbengel vergewaltigt deutsches Mädel“ so lauteten die Schlagzeilen des Naziblattes „Stürmer“, als ob so etwas nur Judenbengel fertig brächten. Heute heißt es: „Ausreisepflichtiger Afghane mordet in Aschaffenburg“, und es wird „Zustrombegrenzung“ gefordert – als ob Asylbewerber nichts als Morde im Sinn hätten.

Man muss tief durchatmen und sich fragen, woher kommt das und wohin führt es? Basis ist eine allgemeine Frem­denfeindlichkeit, die materiell wiederum auf der Konkurrenz der Eingesessenen zu Flüchtlingen und Zugewanderten um Boden, Wohnraum, Arbeitsplätze, „Heimat“ aufliegt. Beispielsweise in den Jahren gegen Ende und kurz nach dem 2. Welt­krieg trafen Evakuierte und Heimatvertriebene vielfach auf Ablehnung bis hin zu Verachtung und Hass, auch wenn es sich um „Landsleute“ handelte, also überhaupt nicht um „Asylanten“. Bis in die kleinsten Dörfer, auf Stammtischen oder bei betrieblichen Pausen gab es heftigste Kontroversen, es wurde geschimpft über Wohnungsbewirtschaftung und Lastenausgleich, über die „Rucksäcke“, denen „Zucker in den Arsch geblasen wird“.

Heute macht sich diese Fremdenfeindlichkeit fest am Aussehen, der Hautfarbe, der kulturellen Herkunft der Migran­ten. Zugrunde liegen aber auch hier letztlich materielle Konkurrenzängste um Wohnungen, Arbeitsplätze etc., die na­tionalistisch-rassistisch überformt werden.

Rassismus zeigt sich auch darin, dass Ukraine-Flüchtlinge einen anderen Status „genießen“, als solche aus Nahost oder Afrika.

Gegen diese rassistisch getönte Fremdenfeindlichkeit könnte nur wirksam vorgegangen werden, wenn den materiel­len Bedürfnissen der arbeitenden Menschen Rechnung getragen würde.

Das aber ist unter den herrschenden kapitalistischen Verhältnissen kaum zu erwarten, die allzu viele zunehmend in Existenznot zwingen. Im Gegenteil – die herrschende Politik und die ökonomischen Verhältnisse liefern die Grundla­ge für den Fremdenhass.

Es ist ein unter den herrschenden Verhältnissen unlösbares Problem und eine verhängnisvolle Dialektik: Die von den imperialistischen Mächten verursachten Fluchtgründe – insbesondere im Nahen Osten und in Afrika durch zerstörte Staaten, Kriege und Trümmerwüsten, durch Folgen neokolonialer Ausbeutung etc. – treiben Hunderttausende in die Flucht hin in die relativ reichen EU–Staaten, wo sie auf die Fremdenfeindlichkeit treffen. Dies wiederum stärkt das rassistische Geschäft Rechtsradikaler bis hin zu den Parteien der „gesellschaftlichen Mitte“, deren Reformprojekte des Asylrechts immer mehr den Forderungen der AfD entsprechen.

Die ganze Gesellschaft rückt so nach rechts, was wiederum letztlich die Staaten als Verursacher der Fluchtbewegun­gen zu fremdenfeindlichen Polizei- und Überwachungssystemen zugleich stabilisiert und prä-faschisiert.

Ein verheerender Kreislauf, der nur durch solidarischen Kampf, gemeinsam von Einheimischen und Migranten um die elementaren Lebensbedürfnisse durchbrochen werden kann.

Es reicht nicht, „nur“ gegen Grenzkontrollen und Abschiebungen, gegen die prä-faschistische Übernahme der AfD-Programmatik durch die Parteien der „bürgerlichen Mitte“ zu demonstrieren. Es müssen gemeinsame Kämpfe um die materiellen Interessen von Einheimischen und Migranten organisiert werden.

vgl. „Aschaffenburg trauert – Politik-Spitzen instrumentalisieren – Faschos inszenieren sich“ – Statement des Bündnis gegen Rechts Aschaffenburg-Miltenberg

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