Archiv 23. November 2020

Lockdown – nicht nochmal! Eine (unerhörte) Warnung

Rezension, geschrieben für die bayerische GEW-Landeszeitung, deren Redaktion eine Veröffentlichung in der November-Ausgabe mit der Begründung „nicht mehr aktuell“ ablehnte.

Wo kann ich mich als Gewerkschafter*in informieren, wenn ich die Meldungen der Regierungen und der Alltagsmedien zur causa corona einem Faktencheck unterziehen möchte?

Eine hervorragende Möglichkeit dazu bietet www.klartext-info.de, wo neben aktuellen, glasklaren Statements auch der Hinweis auf die Broschüre LOCKDOWN – NICHT NOCHMAL zu finden ist, verfasst von den Gewerkschaftskollegen Reinhard Frankl, Rainer Roth und Tobias Weißert.

Anfang August erschien die erste Auflage, inzwischen erlebt es die dritte! Aus meiner Sicht keine Überraschung. Wesentliche Zahlen, Schaubilder und Argumente auf 100 Seiten zusammengestellt, für ganze 3€ (plus Porto) zu beziehen, das ist einfach überzeugend. Die Lektüre lohnt allemal, um sich argumentativ zu stärken in einer Zeit, in der Regierungen behaupten, sie müssten mit sämtlicher bereitstehender und geliehener Munition auf das Virus schießen, auch wenn dabei Grundrechte getroffen, massenhaft berufliche Existenzen bedroht, andere gesundheitsbedrohende Stoffe hingenommen werden wie bisher und sich die Schere zwischen arm und reich weiter und weiter öffnet.

Dass die forschen Einschränkungsverkünder*innen – von Umfrageinistituten auf nie gekannte Zustimmungsraten gehoben – oben bleiben möchten, verwundert nicht. Dass jedoch die linke und grüne Opposition sowie viele ansonsten regierungskritische Organisationen in den Chor der Dauerwarner*innen vor dem „Killervirus“ einstimmen, das war nicht zu erwarten, das hat unsere Gesellschaft in wenigen Monaten nachhaltig verändert.

Entschieden wenden sich die Autoren dagegen, Kritiker der Einschränkungen und Grundrechtsbeschneidungen pauschal in die Schublade für Rechtsradikale, Verschwörungstheoretiker*innen, Antisemit*innen etc. zu schieben. Dass sie selbst nicht ansatzweise da rein gehören, das müssen sie nicht verbal konstatieren – das haben sie in ihrem jahrzehntelangen beruflichen und gewerkschaftlichen Engagement immer wieder bewiesen.

Ernst Wilhelm, Bamberg
21.08.2020

Private Vorsorge ist gescheitert!

Anlässlich einer überraschenden Kehrtwende auf bemerkenswerter Seite veröffentlichen wir hier zwei Newsletter von Dagmar Hühne und Holger Balodis

Vorsorgelüge-Newsletter 8/2020 vom 13.10.2020
Krise der privaten Altersvorsorge

Der mit Abstand größte deutsche Versicherer, die Allianz, überrascht dieser Tage mit zwei Verlautbarungen, die in ihrer Tragweite nicht überschätzt werden können. Erstens: Altersvorsorgeprodukte werden ab dem kommenden Jahr nicht mehr mit einer 100-prozentigen Beitragsgarantie verkauft. Das betrifft alle privaten Renten- und Lebensversicherungen und bedeutet: Auch wer seinen Vertrag regulär durchhält, bekommt möglicherweise weniger raus als er zuvor eingezahlt hat. Zweitens: Die Allianz Pensionskasse wird ab 2022 kein Geschäft mehr annehmen. Pensionskassen gelten als wichtigster Durchführungsweg für Betriebsrenten. Wenn der Gigant Allianz diesen Weg schließt, läuten die Alarmglocken. Bereits in der Vergangenheit war bekannt geworden, dass Dutzende Pensionskassen in der Krise stecken und etliche Anbieter die versprochenen Leistungen bereits gekürzt haben.
Aus all dem folgt: Sowohl die Betriebsrenten als auch die Private Vorsorge mit Lebensversicherungsprodukten, also die zweite und dritte Säule der Altersvorsorge, funktionieren offenbar nicht, jedenfalls nicht so, wie man uns das seit 20 Jahren erzählt hat. Erfunden wurde das Drei-Säulen-Modell, weil Schröder und Riester um die Jahrtausendwende behaupteten, die gesetzliche Rente stünde quasi kurz vor dem Ruin. Wie es nun scheint, ist es genau andersherum. Wer sein traditionelles Geschäft aufgibt, weil er den Kunden nichts mehr garantieren kann, legt den Offenbarungseid ab. Und die gesetzliche Rente? Die hat ihre Rentenzahlungen seit 2015 im Westen um 17 Prozent und im Osten um fast 23 Prozent erhöht. Die Niedrigzinsphase, mit der die Allianz ihre Notbremse bei der privaten Altersvorsorge begründet, richtet in der gesetzlichen Rente keinerlei Schaden an. Wo im Umlageverfahren jeder Euro quasi sofort wieder verteilt wird, muss nichts angelegt werden. Der Vorteil dieses gegen Krisen und Inflation weitgehend immunen Systems sollte inzwischen jedem einleuchten. Die Politik müsste das gescheiterte Experiment mit dem Drei-Säulen-Modell dringend beenden und endlich den Rentenwert so erhöhen, dass alle Rentner eine armutsfeste Rente bekommen. Das ist finanzierbar, wie wir in unserem 8-Punkte-Programm vorgerechnet haben. Jetzt wäre der ideale Zeitpunkt, um endlich alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rente zu bringen. Anfangen solle man mit den Berufspolitikern und Selbstständigen und dann Schritt für Schritt auch die Freiberufler und Beamten integrieren.

Vorsorgelüge-Newsletter Nr. 10/2020 vom 11.11.2020
Rürup: Private Vorsorge ist gescheitert!

Nie hätten wir gedacht, dass wir Schützenhilfe von solch prominenter Seite bekommen: Bert Rürup, der Mentor der Schröder’schen Rentenpolitik, bekennt, dass das von ihm ersonnene Dreisäulenmodell quasi gescheitert ist. In seiner Handelsblatt-Kolumne („Der Chefökonom“) formuliert der frühere Chef des Sachverständigenrats unmissverständlich: „Die Versicherungswirtschaft hatte nun fast zwei Jahrzehnte Zeit, kostengünstige und renditestarke Produkte zur privaten Altersvorsorge zu entwickeln – und ist daran gescheitert.“ Und weiter:
„Hohe Kosten und niedrige Renditen bei der kapitalgedeckten Ergänzungsvorsorge kann und sollte sich Deutschland nicht mehr leisten.“ Es werde Zeit, dass die Politik das Heft in die Hand nähme.
Wumm, das sitzt. Bleibt die Frage, ob Hubertus Heil und Olaf Scholz den Weckruf des Parteigenossen hören und umsetzen. Professor Rürup ist SPD-Mitglied und gilt in der Rentenpolitik seit Schröder als Vordenker der Sozialdemokraten. Und Rürups Analyse ist stichhaltig. Die Versicherer schaffen es immer weniger, den Beitragserhalt zu garantieren. Soll heißen, im Alter können die Kunden privater Vorsorge nicht mehr sicher sein, dass sie zumindest die zuvor eingezahlten Gelder auch zurückbekommen. So hat es die Allianz, Deutschland größter Versicherer, für alle neuen Verträge ab 2021 verkündet. Je nach Anlagemodell können die Kunden zwischen Beitragsgarantien von 60 bis 90 Prozent wählen. Im schlimmsten Falle wären also 40 Prozent der eingezahlten Beiträge futsch. Dazu kommt noch die Geldentwertung. Kann man das noch Altersvorsorge nennen?
Die Bundesregierung und der Gesetzgeber sind gefordert: Statt am Dreisäulenmodell festzuhalten und die hochgradig gescheiterte Riester-Rente durch allerlei Korrekturen aufzuhübschen, muss eine radikale Rückbesinnung auf eine gestärkte gesetzliche Rente erfolgen. Die Renten müssen mindestens um ein Drittel steigen. Wir brauchen einen fairen Bundesanteil, moderate Beitragssatzsteigerungen und eine Rentenkasse, in die alle einzahlen: Selbstständige, Beamte, Freiberufler, Politiker und Top-Manager. So klappt’s.

Für alle, die Bert Rürups erstaunliche Kehrtwende kaum glauben können, hier die Quelle: Handelsblatt online vom 5.11.2020, Bert Rürup und Axel Schrinner: „Die private Altersvorsorge braucht einen Neustart – Vor zwei Jahrzehnten versuchte Walter Riester eine flächendeckende private Altersvorsorge zu organisieren. Dieser Plan ist mittlerweile gescheitert.“

Holger Balodis und Dagmar Hühne: Rente rauf! So kann es klappen, DVS Verlag, 204 Seiten, 18 Euro (ISBN 978-3-932246-98-2), jetzt die leicht überarbeitete 2. Auflage
Sie bekommen das Buch schnell und portofrei entweder direkt über uns (info@vorsorgeluege.de) oder den Frankfurter DVS-Verlag (http://www.dvs-buch.de/).

Rolf Gössner: Gedanken und Thesen zum Corona-Lockdown …

… eine kongeniale Ergänzung zu unserer Broschüre „Lockdown – nicht nochmal!“, geschrieben aus Sicht eines Juristen und Bürgerrechtsaktivisten.

Der Text erschien zuerst in der Zweiwochenzeitschrift OSSIETZKY Nr. 8 und wurde nun erweitert und aktualisiert (Stand Mitte September) als Broschüre vorgelegt.

Titel: Menschenrechte und Demokratie im Ausnahmezustand. Gedanken und Thesen zum Corona-Lockdown, zu „neuer Normalität“ und den Folgen
Herausgegeben von der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ) im Ossietzky Verlag (Oktober 2020), DIN-A-5-Broschüre, 52 Seiten, 3 Euro

Das breit aufgefächerte Themenfeld, das Rolf Gössner mit seinen 18 Gedanken und Thesen zum alptraumhaften Corona-Ausnahmezustand und zur »neuen Normalität« aufmacht, soll dazu beitragen, die komplexe und unübersichtliche Problematik der Corona-Folgen einigermaßen in den Griff zu bekommen und bürgerrechtliche Orientierung zu bieten für eine offene, kritische und kontroverse Debatte. Denn die gesellschaftliche Debatte in der »Corona-Krise« hat lange Zeit unter Angst und Konformitätsdruck gelitten und leidet noch immer darunter – auch wenn Zweifel, Kritik und  Gegenstimmen längst lauter geworden sind, sich aber mitunter auch skurril bis gefährlich verirren.
Skepsis und kritisch-konstruktives Hinterfragen vermeintlicher Gewissheiten und autoritärer Verordnungen sind nicht nur angezeigt, sondern dringend geboten – ebenso wie die Überprüfung rigoroser Abwehrmaßnahmen und Grundrechtseingriffe auf Verhältnis- und Verfassungsmäßigkeit. Schließlich kennzeichnet das eine lebendige Demokratie und einen demokratischen Rechtsstaat – nicht nur in Schönwetterzeiten, sondern gerade in Zeiten großer Unsicherheit und Gefahren, die nicht nur aus einer, sondern aus unterschiedlichen Richtungen lauern, gerade in Zeiten, die nicht nur die Gegenwart, sondern in besonderem Maße auch unsere Zukunft schwer belasten.

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NEU: KLARtext-EU-Broschüre als Buch ausgearbeitet

Vor einem Jahr legte KLARtext die Broschüre „Europäische Union – sozial und völkerverbindend?“ vor, verfasst von Werner Rügemer als Überarbeitung seines Vortrags auf unserem KLARtext-Seminar 2019.

Eine weitere Ausarbeitung dieser Broschüre erschien im Oktober nun als Buch. Es hat den Titel „EU-Imperium: ArbeitsUnrecht, Krise, neue Gegenwehr„. Darin wird das aus Rügemers Sicht „eigentliche“ Thema (das in der Broschüre nur kurz gehalten wurde), nämlich das ArbeitsUnrecht und die vielfältigen Formen der Ausbeutung der abhängig Beschäftigten, auch der Millionen WanderarbeiterInnen, ausführlich dargestellt. Im zweiten Teil hat er neue Formen der Gegenwehr (in 12 Staaten wie nordmazedonien, Polen, Kroatien, Spanien, Frankreich…) dargestellt, die hier in Deutschland so gut wie unbekannt sind.
„ArbeitsUnrecht und die klassenmäßige Niederhaltung der abhängig Beschäftigten ist das eigentliche Tabu in der ganzen sonstigen EU-Kritik und die eigentliche Quelle der EU-Krise und der Rechtsentwicklung“, so seine These.

Werner Rügemer: Imperium EU ist erschienen im Papyrossa-Verlag.