Rainer
Roth
Hartz-Pläne
= Lohndumping
Stichworte
eines Vortrags auf einer Veranstaltung
des Arbeitskreises Betrieb und Gewerkschaft in Hanau
24.10.2002
Im
Schnellverfahren werden die Hartz-Pläne umgesetzt. Kaum einer ist informiert,
was passieren soll. Selbst die "Profis der Nation" nicht, die
angeblich für die Arbeitslosigkeit verantwortlich sind. Zu den Profis sollen
neben 1,8 Millionen Unternehmern und Managern auch die 800
Arbeitsloseninititiaven und 80.000 gewerkschaftliche Funktionsträger gehören.
Die weit über 30 Millionen LohnarbeiterInnen ohne Funktion gehören nicht zu
den Profis der Nation, weder als Beschäftigte noch als arbeitslose. Es sei
denn, sie sind Geistliche, Journalisten, LehrerInnen, Wissenschaftler oder
Vereinsvorsitzende.
"Herzstück
des Abbaus der Arbeitslosigkeit ist eine neue Form der
integrationsorientierten Zeitarbeitsgesellschaft, die PersonalServiceAgentur
(PSA)." (Hartz-Bericht, 148)
Die
PSA's sollen flächendeckend aufgebaut werden. (ebda.)
Die
Bundesregierung verkündet, mit der Ausdehnung der Leiharbeit etwa 800.000
Arbeitslose in Arbeit bringen zu wollen. (Hartz, 274 f.)
IG
Metall: "Die Ausweitung der Leiharbeit darf nicht zu Lohn- und
Gehaltsdrückerei führen." (Pressemitteilung 121/2002 vom
10.09.2002)
Leiharbeit
ist Lohndumping
Wie
kann die Ausweitung der Leiharbeit nicht zu Lohndrückerei führen, wenn doch
Leiharbeit selbst schon Lohndumping ist. 40% weniger bekommen
LeiharbeiterInnen im Schnitt, Ungelernte noch mehr. Leiharbeit unterläuft übliche
Tarife. LeiharbeiterInnen erhalten keine betrieblichen Sozialleistungen. Ihre
Ausfallzeiten wegen Krankheit, Urlaub usw. werden nicht vom Entleihbetrieb
bezahlt. Keine Kosten bei Entlassungen usw.. Sie arbeiten länger und klotzen
mehr ran, weil sie übernommen werden wollen. Mehr arbeiten für weniger Geld:
das ist Leiharbeit.
Selbst
wenn die Tarife die gleichen wären, wie beim Entleihbetrieb, wären die
Lohnkosten für sie trotz Vermittlungsgebühr an die Sklavenhändler immer
noch geringer.
"Leiharbeit
ist damit bisher ein gängiges Instrument des Lohndumpings. Mehr und mehr wird
dieses sich verschärfende Lohn- und Gehaltsgefälle zum zentralen Motiv der
Verleihbranche." (Wilhelm Adamy, DGB, Frankfurter Rundschau
22.10.2002)
Nach
Meinung des DGB bedeutet Leiharbeit zwar bisher Lohndumping. Aber die
"Ausweitung der Leiharbeit" darf nicht zu Lohndumping führen.
Und
das auch noch unter der Bedingung, dass die Verleihbranche laut
Hartz-Kommission der wichtigste Träger der PSA's, der neuen Leiharbeitsfirmen
sein soll.
Wo
immer es möglich ist, soll nämlich eine "Marktlösung"
angestrebt werden d.h. dass private Zeitarbeitsfirmen die PSA's gründen.
(150) Diese wollen natürlich aus dem Verleih von Arbeitskräften Renditen
erzielen.
Die
Ausdehnung der Leiharbeit darf nicht zu Lohndumping führen, ist genauso
logisch wie: Regenwolken bedeuten zwar bisher Regen. Aber die Ausdehnung von
Regenwolken darf nicht zu mehr Regen führen.
Auch
PSA's bedeuten Lohndumping
a)
In einer Probezeit bis zu 6 Monaten wird ein "Nettolohn" in Höhe
des Arbeitslosengeldes gezahlt. Was heißt hier Lohn? Verschlechterung, da
bisher erst ab dem 7. Monat der Arbeitslosigkeit ein Nettolohn in Höhe des
Arbeitslosengeldes möglich war. Jetzt ab dem ersten Tag. Die erste PSA, die
in Duisburg unter Riesters Beisein im September eingeweiht wurde, stellt schon
unter diesen Bedingungen ein.
"Arbeitslose
Arbeitnehmer ... können grundsätzlich und bereits zum Zeitpunkt der
Beendigung ihres früheren Beschäftigungsverhältnisses das Angebot der
Anstellung in einer PSA erhalten." (Hartz-Bericht, S. 152)
Beispiel:
Fleischereifachverkäuferin aus Supermarkt, bisher 1.000 Euro netto, muss
jetzt maximal ein halbes Jahr (Probezeit) für 610 Euro Arbeitslosengeld
arbeiten. Wenn ihre Warmmiete 355 Euro beträgt, arbeitet sie für weniger als
Sozialhilfe.
Wenn
die Verkäuferin das Arbeitsamt nicht sofort von ihrer Kündigung informiert,
erhält sie nach dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung nur 575 Euro
Arbeitslosengeld statt 610. Und muss dann für 585 Euro arbeiten.
Es
gibt nach wie vor keine Meldepflicht für offene Stellen, wohl aber jetzt eine
Meldepflicht für Arbeitslose vor Arbeitslosmeldung. Andernfalls gibt es Kürzungen.
Verkäuferin
kann theoretisch beim selben Supermarkt wieder anfangen, denn nach
Hartz-Kommission soll das Wiedereinstellungsverbot fallen. Sowieso sollen alle
Beschränkungen fallen, auch zeitliche Befristungen. (Hartz, S. 157).
Wer
zahlt den sogenannten "Nettolohn"? Die Kommission hatte sich nicht
festgelegt. Aber sie hält es für "denkbar", dass das Arbeitsamt
das ALG an die PSA zahlt. (S. 151) Dann könnte die PSA jemanden gegen eine
Gebühr "zu geringen Kosten" auf Probe verleihen. Die Arbeitskraft wäre
fast umsonst. Arbeitslosengeld hätte sich in Kapital verwandelt.
Nach
maximal einem halben Jahr Probezeit zahlt die PSA dann tariflich. Die
Hartz-Kommission geht von Tarifen der PSA in Höhe von 80% bzw. 70% des
letzten Bruttolohns des Arbeitslosen aus. (152, 155) Die DGB-Gewerkschaften
sind dabei, eine Tarifgemeinschaft zu gründen, um solche untertariflichen
Tarife zu vereinbaren.
Auf
jeden Fall gilt nicht der Tarif des Entleihbetriebs. Über Leiharbeit werden
die Tarifverträge der Entleihbetriebe ausgehöhlt.
Zu
diesem untertariflichen Tarif sollen LeiharbeiterInnen ohne jede zeitliche
Befristung arbeiten können, da alle Beschränkungen der Arbeitnehmerüberlassung
abgeschafft werden sollen.
Das
Arbeitsamt zahlt abhängig vom Grad der Produktivität der Arbeitslosen
zeitlich befristete Lohnzuschüsse an die PSA, damit diese dann zu noch
billigeren Tarifen an die Entleihfirmen verliehen werden können.
Der
ganze Mechanismus der PSA ist also auf Lohndumping angelegt.
IGM-Vorsitzender
Zwickel akzeptiert das indirekt: "Die Leiharbeiter müssten auf Dauer
entsprechend den tariflichen Bestimmungen des entleihenden Betriebes bezahlt
werden." Was heißt auf Dauer? Das bedeutet jedenfalls: jetzt nicht.
Und das, obwohl selbst die EU-Kommission die Bezahltung der LeiharbeiterInnen
nach dem Tarif des Entleihbetriebs empfiehlt. In Holland ist das z.B. jetzt
schon so.
In
der Hartz.Kommission saßen zwei Gewerkschaftsvertreter. Die haben nicht
gesagt: entweder: Tarif des Entleihbetriebs oder wir stimmen nicht zu, weil
wir kein Lohndumping wollen. Sie haben dem Lohndumping zugestimmt.
(IGM-Vertreter und ver.di-Vorstand) Mit Sicherheit nicht ohne Rücksprache mit
Gesamtvorstand.
Und
die trösten uns mit Leerfloskeln, dass es nicht sein dürfte.
Wenn
Lohndumping nicht sein darf, dann kann man ihm auch nicht zustimmen. Wenn es
aber sein darf, dann kann man ihm zustimmen.
Mit
dem Herzstück Leiharbeit steht und fällt das Gesamtkonzept von Hartz.
Der
DGB begrüßt das Gesamtkonzept.
"Das
einstimmige Votum der Hartz-Kommission eröffnet die Chance, den zwíschen
unterschiedlichen Interessengruppen erreichten Konsens für eine große
Gemeinschaftsanstrengung zu nutzen. Alle Beteiligten haben sich aufeinander zu
bewegt und müssen zu dem gefundenen Kompromiss stehen. Die Vorschläge der
Hartz-Kommission sind insgesamt trotz Kritik und weitergehender Forderungen
der Gewerkschaften ein vielversprechendes Zukunftskonzept, das über alle.
Interessenunterschiede hinweg gemeinsames Handeln möglich macht. Jetzt sind
alle gesellschaftlichen Gruppen gefordert, ihren Beitrag zu leisten und nicht
Rosinenpickerei zu betreiben oder mäkelnd abseits stehen."
(Stellungnahme des DGB-Bundevorstandes vom 15. August 2002)
Leiharbeit
ist das Herzstück der Hartz-Pläne. Da das Herzstück auf Lohndumping hinausläuft,
setzt sich der DGB-Bundesvorstand für Lohndumping ein. Er erklärt ausdrücklich,
dass man zum Lohndumping stehen müsse. Die Aufforderung, keine
Rosinenpickerei zu betreiben, bedeutet, alles umzusetzen d.h. auch
Lohndumping.
Man
muss tief gesunken sein, um Lohnsenkungen als vielversprechendes
Zukunftskonzept zu bezeichnen.
Nicht
mäkelnd abseits stehen, bedeutet, in einer großen Gemeinschaftsanstrengung
mit dem Kapital für Lohnsenkungen einzutreten. Zum Trost gibt es den
Pfarrersatz, dass Leiharbeit, die Lohndumping ist, nicht zu Lohndumping führen
darf.
Da
der DGB den Hartz-Plänen zustimmt, findet man bis heute keine breite Aufklärung
und Diskussion unter den Belegschaften und den Gewerkschaftsmitgliedern über
die geplanten Lohnsenkungen.
Ist
Leiharbeit ein Mittel der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit?
DGB
und IGM machen Werbung für Leiharbeit.
"Die
vermittlungsorientierte Leiharbeit über PersonalServiceAgenturen eröffne für
Langzeit-Arbeitslose und für Arbeitslose mit Vermittlungsproblemen neue
Chancen, in den ersten Arbeitsmarkt zu gelangen, betonte Zwickel."
(Metall-Pressedienst 121/2002 vom 10.September 2002)
Wie
war es bisher? Es ist unbestreitbar, dass ein Teil der LeiharbeiterInnen über
Leiharbeit festangestellt wird. Bei gewerblichen Verleihern etwa 30%, bei
gemeinnützigen Agenturen sollen es 50% sein. (Hartz-Bericht 275, Adamy, FR
22.10.2002)
Leiharbeit
wird als Methode der Rekrutierung von Personal ausgebaut:
Senkung
der Bewerbungskosten.Senkung der Kosten der Personalabteilung (Auslagerung)
Billiges
Testen. Willige Kräfte. Deshalb läuft wachsender Teil der Neueinstellungen
über Leiharbeit. Folglich werden auch mehr Arbeitslose als früher über
Leiharbeit vermittelt.
Bisher
kommen rd. 40% der LeiharbeiterInnen aus anderen Beschäftigungen, 30% kommen
aus der Stillen Reserve und 30% haben Arbeitslosenunterstützung oder
Sozialhilfe bezogen. (Adamy, FR 22.10.2002)
Die
Leiharbeit ist von 100.000 im Jahr 1991 auf 360.000 im Jahre 2001 angewachsen.
Die Zahl hat sich also mehr als verdreifacht. (ANBA 2001, 102) Das ist ein
erheblicher Ausbau.
Es
fanden also auch mehr Arbeitslose über Leiharbeit in Arbeit. Statt etwa
35.000 im Jahre 1991 könnten es 2001 etwa 120.000 registrierte Arbeitslose
gewesen sein, die über Leiharbeit eine Stelle gefunden haben.
Nach
einer Umfrage des Soziologischen Forschungsinstituts in Göttingen sind es
meist jüngere und qualifizierte Kräfte, die "kleben" bleiben. Der
"Klebeeffekt", auf den die Hartz-Gefolgschaft hofft, gilt für
die meisten LeiharbeiterInnen nicht. "Leiharbeit und Befristung stärken
offensichtlich nicht diejenigen, die schwach sind am Arbeitsmarkt."
(Dr. Berthold Vogel im Tätigkeitsbericht 2001 des Stuttgarter
Arbeitslosenzentrums Salz, S. 20). Die LohnarbeiterInnen mit
Vermittlungsproblemen bleiben in der Regel nicht "kleben".
Normalerweise denkt man, dass nur Sachen irgendwo kleben bleiben, aber in der
Kunstsprache der Hartz-Kommission können auch Arbeitslose kleben bleiben.
Die
Leute übersehen nur:
trotz
steigender Vermittlung von Arbeitslosen in Arbeit stieg die
Arbeitslosigkeit. In derselben Zeit, in der die Zahl der LeiharbeiterInnen um
260.000 gestiegen ist, ist die Arbeitslosigkeit von 2,6 Millionen auf 3,9
gestiegen. (1991-2001)
Die
Ausdehnung der Leiharbeit hat also insgesamt mit dem Abbau der
Arbeitslosigkeit überhaupt nichts zu tun. Sie geht gesamtwirtschaftlich
einher mit Steigerung der Arbeitslosigkeit.
Es
ist völlig schematisch, mögliche Senkungen der Arbeitslosenzahlen aus der
Ausdehnung der Leiharbeit abzuleiten, wie das die Kommission macht.
Leiharbeit
ist vielmehr ebenso wie die Arbeitslosigkeit eine Form, in der sich die
sinkende Nachfrage nach Arbeitskraft durch das Kapital ausdrückt. Arbeitskräfte
werden nur noch mit spitzen Fingern angefaßt. Unternehmen fürchten ihre
Produktivität und bevorzugen in wachsendem Maße Arbeitsverhältnisse, in
denen sie die Beschäftigten so schnell wie möglich wieder loswerden können.
80% der LeiharbeiterInnen haben nach einem halben Jahr den Entleihbetrieb
schon wieder verlassen. Nur ganz wenige bleiben länger als ein Jahr.
Die
zunehmende Leiharbeit ist eine von vielen Wirkungen gestiegener Produktivität
unter kapitalistischen Bedingungen. Und die führt insgesamt sowohl zu höherer
Arbeitslosigkeit als auch zu solchen Erscheinungsformen sinkender Nachfrage
nach Arbeitskraft wie Teilzeitarbeit, befristete Beschäftigung und
Leiharbeit.
Ausdehnung
der Leiharbeit bedeutet auch, dass der Kündigungsschutz ausgehebelt wird.
"Insbesondere
eine Aushöhlung des Kündigungsschutzes ist für die Gewerkschaften nicht
akzeptabel." (DGB-Stellungnahme 15.08.2002) Schöne Schlaftabletten,
um die LohnarbeiterInnen einzuschläfern.
Tatsächlich
aber stimmt der DGB-Bundesvorstand der Aushebelung des Kündigungsschutzes mit
Hilfe der Leiharbeit zu. Im Hartz-Bericht steht: "De facto führt die
verstärkte Einschaltung von PSA und anderen Zeitarbeitsfirmen zur
Neutralisierung des Kündigungsschutzes." (S. 149) Der DGB ist gegen
die "Aushöhlung des Kündigungsschutzes", aber für die
"Neutralisierung des Kündigungsschutzes". über Leiharbeit. So
vertritt man die Interessen des Kapitals und tut gleichzeitig so, als ob man
auch die Interessen der LohnarbeiterInnen im Auge hätte.
Leiharbeit
hat bisher Vollzeitarbeitsplätze verdrängt.
1991
gab es 29,4 Millionen Vollzeit-Arbeitsplätze und 100.000
Vollzeit-LeiharbeiterInnen.
2000
gab es 25,7 Mio. Vollzeit- Arbeitsplätze und 340.000
Vollzeit-LeiharbeiterInnen. (Statistisches Taschenbuch 2002, 2.5 A)
Mehr
Arbeitsplätze durch Leiharbeit ist ganz einfach Quatsch.
Von
1991 bis 2000 ist die Zahl der ArbeiterInnen in der Industrie in
Westdeutschland von 4,9 Mio. auf 3,6 Millionen zurückgegangen. Die
Produktivität von IndustriearbeiterInnen ist in Deutschland in diesem
Zeitraum um über 70% gestiegen. (Statistisches Taschenbuch 2002, Tabelle 3.1)
Leiharbeit
kann auch deswegen kein Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sein, da
das Arbeitsvolumen sinkt. Das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen ist von
1991 60 Mrd. Stunden auf 57,35 Mrd. Stunden im Jahre 2000 gefallen. Es wird
immer weniger Arbeitszeit benötigt, um immer mehr Produkte herzustellen.
Wenn
das Arbeitsvolumen sinkt und sich die Leiharbeit gleichzeitig ausdehnt, dann
hat sie also Vollzeitbeschäftigte aus Stammbelegschaften verdrängt. Der
Anteil der LeiharbeiterInnen an den Industriebelegschaften steigt zu Lasten
der Stammbelegschaften.
Beispiel
Continental Reifen. Dort soll in Zukunft bis zu 25% der Belegschaft aus
LeiharbeiterInnen bestehen.
Wie
steht's mit der Beschäftigung von Arbeitslosen, die Vermittlungshemmnisse
haben?
Die
gestiegene Produktivität drückt sich in Arbeitslosigkeit aus. Das Kapital
braucht einfach nicht mehr so viele Beschäftigte, um seine Renditen zu
erzielen. Es sortiert immer mehr diejenigen aus, die nicht mehr genug
abwerfen, die nicht mehr rentabel genug sind. Jugendliche, Ältere,
gesundheitlich Angeschlagene, Behinderte usw.. Die Hartz-Kommission drückt
dieses Bedürfnis des Kapitals aus, in dem sie Arbeitslosen über 55 Jahre die
Möglichkeit gibt, sich in den Vorruhestand zurückzuziehen, allerdings nur
zur Hälfte ihres Arbeitslosengelds, also für etwa 30% ihres früheren
Nettolohns. Entsorgte Kräfte dürfen eben so wenig wie möglich kosten.
Die
wegen "Minderleistung" (Jargon von Personalabteilungen) entsorgten
Arbeitskräfte sind auch über Leiharbeit nicht mehr in die Betriebe zu
integrieren, die sie eben erst entsorgt haben.
Die
meisten Langzeitarbeitslosen sind älter d.h. über 50 Jahre. Sie sind oft
gesundheitlich eingeschränkt und nicht mehr so belastbar.
Die
zunehmende Ausgrenzung von "Minderleistern" könnte bisher auch mit
Lohnkostenzuschüssen nicht aufgehalten werden. Lohnkostenzuschüsse haben nur
das Tempo der Ausgliederung etwas abgemildert.
Wieso
soll die Reintegration in den Arbeitsmarkt, der sie abstößt, jetzt
ausgerechnet über Leiharbeit zu verwirklichen sein, die von gewerblichen
Firmen betrieben wird. Jetzt sollen diese verstärkt die Lohnzuschüsse
bekommen. Sie sollen die eingeschränkten Qualifikationen vermitteln, die ein
Betrieb braucht, um jemanden einzustellen.
Aber
die Bezuschussung, die die mindere Produktivität ausgleichen soll, ist nach
wie vor befristet. Was kommt danach? Entweder Lohnsenkungen oder Entlassung.
Zeitarbeitsfirmen
wollen aus dem Verleih von Arbeitskraft Geld ziehen. Mit
Vermittlungshemmnissen ist das nur mit Zuschüssen nicht möglich. Auch
Leiharbeitsfirmen haben die Tendenz, die Arbeitslose mit
Vermittlungshemmnissen auszusortieren. Zeitarbeitsfirmen sortieren aus, weil
die Unternehmen aussortieren. Immer mehr Leistung von immer weniger Personal.
Wer nicht mithält, fliegt. Auch als LeiharbeiterIn.
Ein
bei VW im 5000x5000 Programm eingestellter 46-jähriger Arbeitsloser sagte:
"Ich bin hier der Opi. Die meisten sind zwischen 25 und 35."
Zweck
der Hartz-Pläne: Löhne durch Ausdehnung der Leiharbeit zu senken.
Arbeitslosenunterstützungen und Sozialhilfe in Lohn und damit in Kapital zu
verwandeln. Arbeit für Arbeitslosenunterstützung bzw. Sozialhilfe ist eine
großangelegte Subventionierung der Kapitalverwertung. Lohnbestandteile werden
in Kapital verwandelt.
Der
Teil des Kapitals, der für den Ankauf von Arbeitskräften ausgegeben werden
muss, sinkt. Das steigert die Profite.
Schauen
wir uns andere Bausteine der Hartz-Pläne an, stellen wir fest, dass sie im
Prinzip genauso gestrickt sind.
Ausbildungszeitwertpapiere.
Auch
hier werden Lohnbestandteile in Kapital verwandelt. Ausbildungskosten werden
gesellschaftlich aus Spendenmitteln übernommen, damit das Kapital überhaupt
noch so gnädig ist, um auszubilden. Profit erhöht sich, weil
Ausbildungskosten sinken. Die Produktivität der Azubis aber wird von den
Privatunternehmen für Umsonst abgeschöpft.
Die
Ausbildung hat in den letzten zehn Jahren dramatisch abgenommen, eben weil sie
sich nicht so rentiert wie die Beschäftigung von Ausgebildeten. Die
Kapitalverwertung steht unter Druck. Was sich nicht rechnet, muss weg, auch
Ausbildungsplätze. Profit ist das Wichtigste, nicht die Ausbildung. Das
Hartz-Konzept gesteht ein, dass das Kapital das Bedürfnis der Jugend nach
Ausbildungsplätzen nicht befriedigen kann. Es appelliert an die caritative
Ader von Familienmitgliedern, KollegInnen, Spendern aller Art, die dem Kapital
unter die Arme greifen sollen. Aus ihren tendenziell sinkenden Löhnen.
Gesellschaftliche
Finanzierung muss sein, aber nicht über private Haushalte, sondern über den
Zugriff auf die Gesamtgewinne des Kapitals.
IGM:
"Die Ausbildung bleibt in erster Linie Aufgabe der Unternehmen."
Ja klar, von wem denn sonst. Das bezweifelt auch keiner. Aber diese lassen sie
sich von uns bezahlen. "Die Finanzierung der Ausbildung darf
keinesfalls auf die Auszubildenden und ihre Familien abgewälzt werden."
O.K., aber auf andere Spender? Problem ist die Verlagerung der
Ausbildungskosten überhaupt auf Spenden und nicht nur auf die Spenden von
Familienmitgliedern. Ausbildungszeitwertpapiere werden dadurch nicht besser,
dass sie nicht von der Oma finanziert werden.
Arbeitslosengeld
kürzen
Ver.di
Vorsitzender Bsirke ist angetan."Gut war, dass unter dem Einfluss von
Isolde Kunkel-Weber, unserer Kollegin in der Hartz-Kommission, kollektive
Leistungskürzungen in den Vorschlägen keinen Platz gefunden haben."
(Ver.di Publik Oktober 2002, 3)
Einverstanden
war Kollegin Isolde aber damit,
dass
das Arbeitslosengeld real gekürzt wird, in dem es nicht mehr jährlich erhöht
werden soll.
dass
der Bezug von Arbeitslosengeld von mehr Bedingungen abhängig gemacht wird,
die zumutbar sind.
-
Kürzungen, wenn man sich nicht gleich nach der erfolgten Kündigung
arbeitslos meldet.
-
Kürzungen, wenn man nicht Armutslöhne in Höhe des Arbeitslosengeldes
arbeitet.
-
Kürzungen, wenn man nicht umziehen will.
-
Kürzungen, wenn man die Eingliederungsverträge nicht einhält. Der Umfang
des Arbeitslosengelds soll mehr als vorher, von der Bereitschaft der
Arbeitslosen zur Mitwirkung an den Integrationsmaßnahmen abhängen. (Hartz-Bericht,
S. 128)
Die
intelligenten Kürzungen, die auf diese Weise aus den Arbeitslosen wegen
angeblichen individuellen Fehlverhaltens beim Fördern und Fordern
herausgeschlagen werden, führen zum selben Ziel wie die plumpen pauschalen Kürzungen,
die das Kapital wünscht.
Aber
gut: der tapfere ver.di Vorstand hat sich zwar in der Hartz-Kommission in dem
Punkt der Verhinderung pauschaler Kürzungen durchgesetzt. Dafür kämpfte er
für die Neuauflage der SPD-Grünen-Bundesregierung, der Superminister Clement
gleich zu Beginn seines Amtsantritts verkündete, dass das Arbeitslosengeld für
Arbeitslose mit Kindern von 67% auf 60% pauschal gekürzt werden müsse.
Gut
war also, einer Regierung zum Sieg zu verhelfen, die pauschale Kürzungen
umsetzen will. So verwirklicht die Regierung den Satz des beliebtesten
deutschen Politikers Joschka Fischer, dass die Koalition Deutschland zu einem
kinderfreundlichen Land machen wolle. Die Kinder von Arbeitslosen werden sich
bestimmt freuen, wenn ihre Eltern zu 60% ihres vorherigen Lohns überhaupt
arbeiten dürfen.
Die
zeitliche Befristung des Arbeitslosengeldes ist nicht durchgekommen, wird aber
2005 wieder geprüft, wenn die Arbeitslosenzahlen bis 2005 nicht um 2 Mio.
gesunken sind.
*
Arbeitslosengeld II
Arbeitslosenhilfe
und Sozialhilfe für Erwerbsfähige sollen zum Arbeitslosengeld II
zusammengelegt werden. Laut Hartz-Kommision ist das Arbeitslosengeld II keine
Lohnersatzleistung mehr, sondern eine "Fürsorgeleistung". (S. 127)
Die Rutschbahn der Arbeitslosenhilfe auf das Niveau der Sozialhilfe ist damit
Vorgezeichnet. Die geplanten Kürzungen der Vermögensfreibeträge gehen
ebenso in diese Richtung wie die Tatsache, dass die Hartz-Kommission die
Rentenversicherungspflicht der BezieherInnen von Arbeitslosengeld II in Frage
stellt.
Die
Ich-AG's fördern Selbständige, die nicht selbständig sind. Die
Ich-AG's sind Subunternehmer für Kleinunternehmen und Handwerksbetriebe, die
Ich-AGler 1:1 im Verhältnis zu normalen Beschäftigten beschäftigen können.
Dadurch soll angeblich niemand verdrängt werden. So auch der DGB.
Ich
AG's sind aber für Kleinunternehmen das, was Leiharbeit für größere
Unternehmen ist.
Mit
Lohnsubventionen wird die Kapitalbildung von Kleinunternehmen verbessert. Aus
den Mitteln der Arbeitslosenversicherung werden vor allem die
Sozialversicherungsbeiträge der neuen Scheinselbständigen subventioniert,
damit diese Aufträge zu möglichst niedrigen Preisen annehmen können.
Die
Hoffnung, Selbständige durch künstliche Beatmung wieder zu beleben, ist trügerisch,
weil die gesamte wirtschaftliche Entwicklung dahin geht, dass immer mehr
Kleinunternehmen und mittlere Unternehmen bankrott gehen. Das ist Folge des
Kapitalverwertungsprozesses. Sie können nicht mehr mithalten. nicht produktiv
genug. Preise zu hoch. stehen unter Druck. Konzentration.
Auch
über die Ich-AG's wird letztlich privater Profit gesellschaftlich
subventioniert.
Mini-Jobs
500
Euro-Jobs in Haushalten sollen nur mit einer Sozialversicherungspauschale von
10% belegt werden. (ein Teil Krankenversicherung, ein Teil
Rentenversicherung). Noch beschränkt auf private Haushalte. Die Grüne wollen
das ändern und auf alle ausdehnen. Tendenz geht dahin, die
Sozialversicherungsbeiträge aller Löhne bis zu 1.000 Euro zu
subventionieren. Die Mini-Jobs sind de Einstieg dazu.
Sie
sind ferner steuerlich absetzbar. Angeblich dient das der Bekämpfung der
Schwarzarbeit:
Aber:
Hauptursache der Schwarzarbeit sind zu niedrige Löhne, zu niedrige
Sozialleistungen bzw. zu niedrige Gewinne (bei Selbständigen). Löhne und
Arbeitslosenunterstützungen senken und gleichtzeitig die Schwarzarbeit bekämpfen
zu wollen, ist ein Widerspruch in sich. Es geht letztlich nur darum die
private Bereicherung, den Hauptzweck der Hartz-Pläne, zu vertuschen, in dem
man einen allgemeinen gesellschaftlichen Nutzen wie Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit oder Bekämpfung der Schwarzarbeit vorschiebt.
Niedriglöhne
sind keine Alternative zu Schwarzarbeit.
Als
gesellschaftlich nützlich verkauft, weil Kapitalverwertung verbessert wird.
Kleinunternehmen können durch Lohnsenkungen Preisdruck der Auftraggeber
besser aushalten.
Und
die Reichen bekommen billigeres Dienstpersonal auf Kosten der
Sozialversicherungen geliefert.
Hauptziel
der Hartz-Kommission ist die Erhöhung der Profite, in dem das Kapital aus den
Mitteln der Arbeitslosenversicherung subventioniert wird.
Arbeitslosigkeit
wird genutzt, um Lohn- und Ausbildungskosten zu verbilligen.
Profite
würden sich ebenfalls erhöhen durch die geplante Senkung der Beiträge zur
Arbeitslosenversicherung.
Diese
sollen durch Senkung der Vermittlungsgeschwindigkeit von 33 auf 22 Wochen
erreicht werden.
Staatsausgaben
sollen gesenkt werden, um Gewinnsteuern weiter senken zu können, eben um
Nettogewinne zu erhöhen.
Das
ist der Weg des Kapitals, sich selbst aus der Krise zu retten.
Höhere
Profite bedeuten aber nicht weniger Arbeitslose.
1991
machten die Kapitalgesellschaften 362 Mrd. DM Gewinn. Im Jahr 2000 waren es
572 Mrd. DM. Auch Selbständige strichen deutlich höhere Gewinne ein.
Dennoch
ist die Arbeitslosigkeit um 1,2 Millionen gestiegen.
Das
Kapital wird mit der wachsenden Produktivität nicht fertig. Produktivität
unter den Bedingungen der Kapitalverwertung führt dazu, dass immer weniger
Menschen gebraucht werden, da nicht gleichzeitig die Arbeitszeit verkürzt
bzw. der gesellschaftlich erwirtschaftete Reichtum zur Steigerung des
Wohlstands der arbeitenden Menschen verwendet wird.
Die
gewaltige Produktivität entlädt sich verrückterweise in Krisen und sie
greift die Profitraten an. Das Kapital will sich aus der von ihm
selbstverursachten Krise retten, in dem es die Arbeitskräfte stärker
ausbeutet. Das ist alles.
Es
konzentriert sich darauf, den LohnarbeiterInnen und den Arbeitslosen alle
schuld in die Schuhe zu schieben und letztlich ihre Faulheit oder Trägheit,
mangelnde Flexibilität oder ihre Anspruchshaltung für die Arbeitslosigkeit
verantwortlich zu machen. Der ganze Ausgangspunkt der Hartz-Kommission hat mit
dem Standpunkt der LohnarbeiterInnen nichts zu tun.
DGB
"Die Umsetzung des Gesamtkonzepts verspricht einen wichtigen
Fortschritt bei der sozial gerechten Modernisierung unserer Gesellschaft zu
einem ausgewogenen Verhältnis von sozialer Gerechtigkeit und Flexibilität am
Arbeitsmarkt." (Stellungnahme zu Hartz vom 15.08.2002)
Die
LohnarbeiterInnen und die Arbeitslosen zahlen drauf: das Kapital profitiert.
Das ist die soziale Gerechtigkeit, die die DGB-Führung meint. Die Umsetzung
der Hartz-Pläne wäre ein Fortschritt für das Kapital.
Die
LohnarbeiterInnen dagegen müssen ebenfalls versuchen, sich aus der vom
Kapital verursachten Krise zu retten. Das geht nicht mit Konsens, sondern nur
mit Kampf für die eigenen Interessen. Nur so sind Fortschritte möglich.
LeiharbeiterInnen
müssen zu den Tarifen der Entleihbetriebe bezahlt werden, ab dem ersten Tag
der Beschäftigung. Ein Betrieb - ein Tarif.
Keine
Ausweitung der Leiharbeit über PersonalServiceAgenturen!
Arbeit
für Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe ist Lohndumping!
Leiharbeit
schafft keine Arbeitsplätze, sondern vernichtet sie.
Arbeitszeitverkürzung
ist notwendig.
Die Arbeitszeit muss auf 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich verkürzt wird.
Die
Bundesregierung plant, die Vermögensfreibeträge der
Arbeitslosenhilfebezieher zu halbieren, während das Vermögen der
Superreichen überhaupt nicht besteuert wird. Das zeigt, wessen Regierung das
ist.
40
Milliarden Euro jährlich verlieren Leute an Betrügern, die hohe Profite auf
Anlagen versprechen. Für's Zocken hat man Geld, für Arbeitslose nicht.
Milliarden
für Börsenspekulation verzocken, in Kapitalanlagen ins Ausland verschieben,
in Immobilien usw. anlegen - dafür ist genug Geld da, aber nicht für öffentliche
Investitionen, die wir brauchen.
Es
kommt nicht darauf an, das Kapital zu stärken, sondern uns selbst. Nicht die
LohnarbeiterInnen sind das Problem, sondern das Kapital. Das Kapital ist das
Problem und nicht die Lösung des Problems.
Ein
Wirtschaftssystem, das den Millionen, die arbeiten, nach und nach die
Existenzgrundlage entzieht, nur um Kapital zu bestimmten Prozentsätzen zu
vermehren, ist letztlich nicht lebensfähig.