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Am 09.12.2012 12:13, schrieb Heinz-Josef Bontrup:
Lieber Kollege Roth,
ich würde mich freuen, wenn Sie den offenen Brief zur AZV (siehe
Anlage) als Erstunterzeichner mitunterschreiben würden. Wir wollen noch bis
etwa Mitte Januar weitere Unterschriften sammeln und dann Ende Januar
eine PK in Berlin machen.
Mit besten Grüßen
Heinz-J. Bontrup
Am Fr 14.12.2012 21:01 schrieb Rainer Roth <arnold-roth@t-online.de:
lieber kollege bontrup,
ich begrüße es, dass sich so viele professorInnen gefunden haben, die sich
für die 30-stundenwoche bei vollem lohn- und personalausgleich einsetzen. für
diese forderung setze ich mich schon lange ein (anbei der link zu einem
flugblatt vom januar 2010
http://klartext-info.de/blog/wp-content/uploads/2010/01/30_stunden_sind_genug_2009_6.pdf.
mein buch "nebensache mensch" enthält auch schon entsprechende
aussagen.
wenn sich der text, den sie mir freundlicherweise zur unterschrift geschickt
haben, darauf beschränkt hätte, festzustellen,
- dass die Arbeitszeitverkürzung die einzige logische antwort der
lohnabhängigen auf die produktivitätssteigerungen sind, wenn sich ihre
lage nicht verschlechtern soll,
- dass die arbeitszeitverkürzung die konkurrenz zwischen den
lohnabhängigen verringert und der arbeitslosigkeit entgegenwirkt
- dass nicht akzeptiert werden kann, dass wachsende produktivität zu einer
zunahme der existenzunsicherheit und prekärer beschäftigung führt und
deswegen eine drastische Arbeitszeitverkürzung auf das angegebene niveau
längst überfällig ist,
- und dass es eine gesetzliche festlegung geben muss
(gesamtgesellschaftliches projekt),
hätte ich unterschrieben.
folgende aussagen jedoch, die der aufruf mit der forderung nach der
30-stundenwoche verbindet, kann ich nicht unterschreiben:
- dass arbeitszeitverkürzungen ein mittel sei, vollbeschäftigung zu
erreichen bisher ist auch in deutschland azv, über lange zeiträume
gesehen, mit steigender arbeitslosigkeit verbunden. die wachsende
produktivität erzeugt beides, arbeitszeitverkürzung und steigende
arbeitslosigkeit. Azv wirkt der wachsenden tendenz zu steigender
arbeitslosigkeit und prekärer beschäftigung nur entgegen. Der
warencharakter der Arbeitskraft , d.h. der umstand, dass arbeitskräfte eben
vorwiegend nur dann beschäftigt werden, wenn sie private profite
erwirtschaften, macht vollbeschäftigung als dauerzustand unmöglich.
- dass die arbeit fair verteilt werden muss. in der tat findet man
arbeitszeitverlängerung und arbeitslosigkeit/unterbeschäftigung
gleichzeitig. mit mangelnder fairness hat das nicht, mit dem streben nach
mehrwert und steigender produktivität (d.h. Sinkendem arbeitsvolumen)
dagegen viel zu tun.
- dass die wachsende kluft zwischen arm und reich und krisen folge einer
falschen neoliberalen politik sind, die durch einen "politikwechsel",
d.h. einer umverteilung von oben nach unten zu bekämpfen seien. Die
ursachen der arbeitslosigkeit und der sinkenden nachfrage nach arbeitskraft
liegen m.e. nicht in einer falschen regierungspolitik, sondern in der logik
der kapitalverwertung begründet. Die gegenwärtigen
verteilungsverhältnisse entsprechen den gegenwärtigen eigentums- und
produktionsverhältnissen.
wenn richtige forderungen nicht mit einschätzungen verbunden wären, die die
zustimmung zu theorien linker sozialdemokraten voraussetzen, hätte ich kein
problem, den aufruf zu unterschreiben.
ein appell an den DGB bzw. an alle "demokratischen Parteien", also
CDU, FDP, SPD usw. wird m.e. wenig erfolg haben, da die interessen des kapitals
und der regierenden politischen parteien doch deutlich auf
arbeitszeitverlängerung bzw. maximale flexibilisierung hinauslaufen.
Die "sozialpartner" beugen sich dem im großen und ganzen.
danke jedenfalls für die nachfrage und mit der bitte um verständnis
rainer roth
Am 16.12.2012 12:03, schrieb Heinz-Josef Bontrup:
Lieber Kollege Roth,
das bedauere ich sehr. Ich finde Ihre Einwendungen sind implizit im Brief
enthalten. Wir sagen, dass AZV ein gesamtgesellschaftliches Thema ist. Deshalb
ist ja der Brief nicht nur an die Gewerkschaftsspitzen gerichtet.
Wir sagen auch nicht, dass nur AZV zur Vollbeschäftigung führt. Sie ist nur ein
wichtiger "entscheidender Schlüssel". Bei Unterschriften unter
offenen Briefen oder Aufrufen muss man immer Kompromisse eingehen. Wenn die
Richtung stimmt, so meine Auffassung, unterschreibe ich persönlich.
Über 35 Jahre Mitarbeit in der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik
wären ohne solche Kompromisse von Kollegen und Kolleginnen nicht möglich
gewesen und die Memo-Gruppe würde es schon lange nicht mehr geben.
Vielleicht überlegen Sie es sich noch einmal. Ich würde mich sehr freuen
einen langjährigen Streiter für AZV dabei zu haben.
Kollege Massarrat und ich haben übrigens als Hrsg. gerade im pad-Verlag,
Bergkamen, eine kleine Broschüre zur AZV "Arbeitszeitverkürzung jetzt!
30-Stunden-Woche fordern!" veröffentlicht. Wir haben hier auch den von
Ihnen erwähnten ausgezeichneten "Aufruf zur 30-Stunden-Woche" noch
einmal abgedruckt.
Mit besten Grüßen
Ihr
Heinz-J. Bontrup
-------- Original-Nachricht --------
Betreff: Re: Prof. Dr. Bontrup Offener Brief AZV
Datum: Wed, 19 Dec 2012 18:12:58 +0100
Von: Rainer Roth
An: Heinz-Josef Bontrup
lieber kollege bontrup,
ich bedaure es auch, dass ich den brief nicht unterschreiben kann. ich sehe
nicht, dass meine einwendungen implizit berücksichtigt wären. ohne
arbeitszeitverkürzung nie wieder vollbeschäftigung, ist die überschrift. also
ist mit arbeitszeitverkürzung vollbeschäftigung möglich. "notwendig ist
eine faire verteilung der arbeit durch kollektive arbeitszeitverkürzung",
eben auf die 30-stundenwoche bei vollem lohn- und personalausgleich".
vollbeschäftigung könnte also mit einer fairen verteilung der arbeit (gemeint
ist arbeitszeit) erreicht werden. arbeitslosigkeit hat meines erachtens ihren
grund nicht in einer unfairen "verteilung der arbeit", sondern darin,
dass die menschen, die ihre arbeitskraft als ware verkaufen müssen, das im
wesentlichen nur erreichen, wenn die nutzung ihrer arbeitskraft unternehmen
profitabel erscheint.
die umverteilung von arbeits- zu besitzeinkommen ist das notwendige produkt der
kapitalverwertung, nicht eines neoliberalen kapitalismus usw. usf.
ich will das nicht alles noch einmal aufzählen.
es ist nicht der umstand, dass man sich an den dgb wendet, der mich hindert,
sondern solche und andere einschätzungen.
ich gebe ihnen recht, dass man kompromisse eingehen muss. das mache ich auch.
aber in meinen augen beschönigende einschätzungen der ursachen der
arbeitslosigkeit und der möglichkeiten der azv zu unterschreiben, übersteigt
meine kompromissbereitschaft leider.
ich gebe ihnen allerdings recht, dass der aufruf sich mäßigt. er spricht im
Zusammenhang von azv weder von Gerechtigkeit noch von Menschenwürde noch von
einem recht auf arbeit. das habe ich positiv vermerkt.
ich habe heute ihre broschüre bestellt. danke für den hinweis und für den
abdruck unseres flugblatts.
mit kollegialen grüßen
rainer roth
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