Die Reise (der Arbeitslosen) nach Jerusalem
4,4 Millionen Arbeitslose -
400.000 offene Stellen
Schluß
mit der Faulheit! (steht auf einem Transparent im Hintergrund)
Spieler:
Sprecher(in);
Unternehmer; schwingt die Peitsche, wenn er den Worten des Sprechers
zustimmt; Gogo-Boy Schröder in Badehose; elf Arbeitslose
Utensilien:
Peitsche,
Stuhl, Kinderstuhl, Puppenstuhl, kaputter Stuhl, Schröder-Maske, Adreßaufkleber
mit Nummern von 1 bis 11, die sich die Arbeitslosen anheften.
Sprecher(in),
(unsichtbar, z.B. hinter Transparent verborgen, spricht über
Ghettoblaster mit Mikrophon und langem Kabel)
Meine Damen und Herren,
Sie sehen jetzt die
Geschichte vom Arbeitsplatz
(Unternehmer stellt einen
Stuhl auf und zeigt mit Peitsche auf ihn)
und den faulen Arbeitslosen.
(Unternehmer zeigt auf die
elf Arbeitslosen)
1980
kamen auf einen nicht besetzten Arbeitsplatz drei Arbeitslose.
(Drei Arbeitslose stellen
sich um den Stuhl)
Heute sind es elf.
(Weitere acht stellen sich
um den Stuhl, so dass alle elf Arbeitslosen um den Stuhl herumstehen. Da
bleiben sie auch stehen.)
Das beweist:
Immer weniger Menschen sind
bereit zu arbeiten. Die Faulheit hat dramatisch zugenommen.
Das zeigen wir in den
folgenden Szenen.
Schröder
go!
(Schröder
als Gogo-Boy mit dem Nummernschild:
1
(Vorderseite eines Plakats) Wer arbeiten will, findet auch Arbeit (Rückseite)
in
aufreizendem Gang vor den ZuschauerInnen. Auf dem Hinweg zeigt er die
Nummer, auf dem Rückweg zum Unternehmer das Motto. Dann stellt sich er
sich wieder hinter den Unternehmer. Unternehmer und Sprecher(in) können
Schröder bei allen Szenen kommentieren. (Mach endlich was, Sorg für
mehr Wachstum, ein bißchen mehr Erotik bitte usw.. alles, was ihnen so
einfällt)
Sprecher (in):
Arbeitslose Nr. 1 bis 11,
bewerben Sie sich bitte um die angebotene Stelle.
Setzen
Sie sich in Bewegung. Wenn der Pfiff ertönt, nehmen Sie den
Arbeitsplatz an.
(Arbeitslose beginnen um
den Stuhl zu laufen.)
Jeder von Ihnen hat die
gleiche Chance. Nutzen Sie sie.
Pfiff. Jeder versucht sich
auf den Stuhl zu setzen. Einer schafft es. Er bleibt sitzen.
Sie sehen: Wo ein Wille ist,
ist auch ein Weg. Wer arbeiten will, findet auch Arbeit.
Doch
denen, die arbeitslos bleiben sind, rufe ich mit den Worten von Kanzler
Schröder zu: "Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer
Gesellschaft." (Peitsche)
(Wer
den Arbeitsplatz bekommen hat, bringt den Stuhl zum Unternehmer zurück
und reiht sich wieder in die Arbeitslosen ein.)
2.
Szene. Schröder go.
Schröder
tänzelt als Gogo-Boy mit dem Nummernschild vorbei:
(2) Mehr
Eigenverantwortung zeigen
Arbeitslose Nr. 1 bis 11,
wir
müssen Sie offensichtlich fördern, indem wir Sie fordern. Sie sind
verpflichtet, an einer Trainingsmaßnahme teilzunehmen. Das hier ist ist
unser Trainingsarbeitsplatz.
Unternehmer
stellt Puppenstühlchen auf.
Arbeitslose Nr. 1 bis 11,
trainieren Sie jetzt die Bewerbung. Setzen Sie sich in Bewegung.
Beginnen Sie langsam zu laufen. Schneller. Schneller.
Rufen
Sie: "Ich schaffe es. Ich schaffe es."
Laufen Sie noch schneller.
Danke.
Das war hervorragend. Jetzt sind sie fit für den Arbeitsmarkt.
Das
können Sie jetzt in der Realität des Arbeitsmarktes unter Beweis
stellen.
Unternehmer
nimmt Puppenstühlchen wég und stellt den Arbeitsplatz-Stuhl wieder
hin.
Sprecher:
Arbeitslose Nr. 1 bis 11, bewerben Sie sich jetzt um die offene Stelle.
Setzen Sie sich in Bewegung. Wenn der Pfiff ertönt, nehmen Sie die
Arbeitsstelle an.
Arbeitslose laufen.
Schneller als vorher. Wenn sie zu langsam sind: Haben Sie nun
trainiert oder nicht?
Pfiff. Einer setzt sich,
in dem er einem anderen den Stuhl wegzieht. (vorher festlegen, wer das
sein soll).
Sprecher:
Meine
Damen und Herren: Sie sehen, dass Nr. x (Nummer des Arbeitslosen) sich
nur dank der Trainingsmaßnahme am Arbeitsmarkt durchsetzen konnte.
Den
anderen aber sage ich deutlich: Sollten Sie sich weiterhin zu wenig
anstrengen, müssen Sie mit Sanktionen rechnen.
3.
Szene. Schröder go!
Schröder
läuft als Gogo-Boy mit dem Nummernschild vorbei:
(3) Jede Arbeit ist
zumutbar
Sprecher:
Arbeitslose Nr. 1 bis 11. Wir
haben hier eine zumutbare Arbeit im Angebot.
Unternehmer
stellt kleines Kinderstühlchen hin.
Bewerben Sie sich. Setzen Sie
sich in Bewegung.
Die
Arbeitslosen laufen um das Kinderstühlchen herum.
Auch
zu kleine Arbeitsplätze sind zumutbar. Jede Arbeit ist zumutbar. Laufen
Sie jetzt. Pfiff ertönt. Ein(e) Arbeitslose(r) versucht sich zu
setzen. Kann es aber nicht und lehnt die Stelle ab. (Vorher jemanden
auswählen, der tatsächlich nicht auf den Kinderstuhl passt)
Nr.
x (konkrete Nummer des Arbeitslosen), stellen Sie sich nicht so an. Ein
Arbeitsplatz hat noch niemandem geschadet. Sie
müssen sich dem Arbeitsplatz anpassen, nicht umgekehrt. Sie bekommen
Sie eine Sperrzeit von 12 Wochen.
4.
Szene. Schröder go!
Schröder
läuft als Gogo-Boy mit dem Nummernschild vorbei:
(4)
Weniger Stütze = weniger Faulheit
Meine
Damen und Herren, damit Arbeitslose auf dem Arbeitsmarkt wieder eine
Chance haben, müssen wir die Unterstützung senken.
Die Bundesregierung handelt
nach dem Grundsatz: Jeder Arbeitsplatz, auf dem man nicht sitzen kann,
ist besser als gar keiner.
Unternehmer
stellt völlig kaputten Stuhl auf, an dem ein Schild 700 Euro mtl.
brutto befestigt ist.
Viele
Arbeitslose sind aufgrund ihrer tiefen Arbeitsscheu leider noch anderer
Meinung. Deshalb müssen wir die Stütze so lange senken, bis die Lust
zu arbeiten wieder da ist. Die Agenda 2010 ist ein erster kleiner
Schritt dazu.
Die Wirkung zeigen wir ihnen
jetzt.
Arbeitslose
Nr. 1 bis 11, Ihre Unterstützung ist halbiert, bewerben Sie sich jetzt
auf diesen Arbeitsplatz. Setzen Sie sich in Bewegung.
Die Arbeitslosen laufen um
den kaputten Stuhl herum.
Pfiff. Nr. ? versucht,
sich auf den kaputten Stuhl zu setzen und kniet sich irgendwie rein.
Meine
Damen und Herren. Hier ist der Beweis. Ohne die Halbierung der Stütze hätte
der (die) Arbeitslose seine (ihre) Abneigung gegen Arbeit nicht überwinden
können.
Zum
zeigen wir Ihnen, was sich Regierung und Arbeitgeber sich von Ihnen
allen wünschen. Schröder go!
Schröder
läuft als Gogo-Boy mit dem Nummernschild vorbei:
(5)
Das Arbeitslosengelöbnis
Arbeitslose,
stellen Sie sich bitte auf zum Arbeitslosengelöbnis.
Arbeitslose stellen sich
auf.
Wir
fordern auch alle Anwesenden auf, am Gelöbnis teilzunehmen. Auch Sie können
arbeitslos werden. Im Gegensatz zur Bundeswehr schließen wir das Volk
nicht von Gelöbnissen aus.
Sprecher spricht und
Arbeitslosen und Anwesende sprechen nach.
Wir geloben,
alle
Schuld für unsere Arbeitslosigkeit auf uns zu nehmen und den Gewinnen
der Arbeitgeber die notwendige Ehrerbietung zu erweisen.
Beifall
Unternehmer und Schröder
Wir geloben,
die
Agenda 2010 zu unterstützen. Dass es uns im eigenen Interesse immer
schlechter geht, ist unser innigster Wunsch. Beifall Unternehmer und
Schröder
Wir geloben,
unsere
Abneigung gegen Arbeit zu überwinden. Denn Arbeit an sich ist sozial,
jetzt und in Ewigkeit. Beifall Unternehmer und Schröder
Arbeitslose gemeinsam: (ohne
dass vorgesprochen wird)
Kanzler, wir sind bereit.
Durch uns geht ein Ruck.
Wir
haben verstanden. Beifall
Unternehmer und Schröder
Sprecher:
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, zum Zeichen Ihrer Ihrer Zustimmung
zur Agenda 2010 fordern wir Sie auf, 20 Euro in den Sektkübel zu
werfen, mit dem jetzt ein Vertreter des Arbeitgeberverbandes herumgeht.
Wir werden Ihre Spende allen Unternehmen zukommen lassen, besonders den
großen. Ich danke Ihnen.
Aktionsidee von klartext e.V.
Flugblatt zum Stück (PDF)
Artikel der Frankfurter Rundschau vom 25.09.2003
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Heißer Stuhl
"Wir geloben, alle Schuld für unsere Arbeitslosigkeit auf
uns zu nehmen und hoffen, dass es uns in eigenem Interesse
schlecht gehen möge." Dieses kuriose Gelöbnis beendete
das Straßentheater, das der Verein Klartext und das
Rhein-Main-Bündnis gegen Sozialabbau und Billiglöhne am
Wochenende auf dem Liebfrauenberg aufführten. Die Aktion
basierte auf dem Kinderspiel "Reise nach Jerusalem".
Hier allerdings gab es nur einen Stuhl für elf Teilnehmer,
anstatt einen Stuhl weniger als Mitspieler. Das sollte
symbolisieren "4,4 Millionen Arbeitslose - 400.000 offene
Stellen". Elf Arbeitslose kämpften also um einen einzigen
Arbeitsplatz. Die zehn, die leer ausgingen, mussten anschließend
Leistungskürzungen, Sperrzeiten und Trainingsmaßnahmen auf
sich nehmen, damit auch ja ihre Eigenverantwortung zunehme.
"Wir wollten darauf aufmerksam machen, dass Arbeitslose für
die Wirtschaftskrise verantwortlich gemacht werden", so
Rainer Roth, Vorsitzender von Klartext. Mit der Reaktion der
vielen Passanten auf dem Liebfrauenberg ist er zufrieden.
"Es sind sehr viele stehengeblieben."
(sk/FR-Bild: Monika Müller) |
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