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Rezension zu:
Sklaverei als Menschenrecht - Über die bürgerlichen Revolutionen in England, den USA und Frankreich, Rainer Roth
Der Titel klingt erst mal verstörend - viel verstörender ist es aber dann während der Lektüre herauszufinden, dass es tatsächlich so war. Denn die Sklaverei wurde nicht - wie man meinen könnte - von Liberalismus und der Aufklärung abgeschafft oder wenigstens bekämpft, nein, sie wurde auch noch verteidigt. Denn, und das ist auch nicht so allgemein bekannt - das wichtigste Menschenrecht, um das es damals (und heute) ging, ist das Recht auf Eigentum. Da ist es dann auch nur logisch, dass der Eigentümer, wenn er dann Eigentum verliert, dafür entschädigt wird. Das muss man sich mal reinziehen - als die Sklaverei dann endlich nach hunderten von Jahren mehr oder weniger abgeschafft wurde, bekamen die Sklavenhalter eine Entschädigung, nicht die Sklaven! Da bleibt einem echt die Spuke weg. Und es geht noch weiter, Rainer Roth erklärt, dass Sklaverei zu den ökonomischen Grundlagen gehörte, auf denen die Menschenrechtserklärungen Englands, der USA und Frankreich fußten und deshalb die barbarische Vergangenheit immer noch lebendig ist und in anderen Formen auch heute noch weiter existiert. Und wenn man dann auch noch erfahren muss, dass die damaligen Menschenrechte eben nicht universal waren und für alle Menschen gelten sollten, sondern nur Rechte einer Minderheit von Bürgern (Bourgeoisie) gegenüber der Aristokratie, dann kann man wirklich sein Geschichtswissen über Bord schmeißen und sich mal wieder wundern, wieso die Fakten (und davon ist auszugehen, der Autor überzeugt mit akribischer Recherche) denn der Öffentlichkeit nicht bekannt sind. Obwohl das eigentlich auf der Hand liegt - wer will so was schon groß kommunizieren. Man erfährt hier so viele Ungeheuerlichkeiten, wer zum Beispiel früher alles in den Sklavenhandel bzw. -haltung verwickelt war und davon profitierte oder einfach nur dafür war und da fallen so viele Namen bei denen man nicht wirklich dran denkt dass die was mit Sklaverei zu tun hatten (John Locke, Thomas Jefferson, de Montesquieu, Rousseau, Abbé Raynal, Voltaire, Kant, Hegel....). War aber so. Oder dass die im allgemeinen Bewusstsein als Gegner der Sklaverei bekannten Nordstaaten der Usa in Wirklichkeit auch von der Sklaverei der Südstaaten profitierten und letztendlich nur aus wirtschaftlichen Überlegungen für deren Abschaffung waren. Wirtschaftliche Gründe in Kombination mit dem Aufstand der Sklaven waren laut Roth sowieso dafür verantwortlich, dass die Sklaverei in dieser Form endete. Und eben nicht ein Sinneswandel bei den vermeintlich aufgeklärten Menschen der Revolutionen, so wie es immer gern dargestellt wird. Natürlich geht es auch um Kolonialismus, man erfährt alles über die Situation auf den Inseln der Karibik (und natürlich über Afrika und Indien) und wie die Europäer dort mit den Einheimischen bzw. dorthin verschleppten Sklaven auf den Plantagen umgingen. Das Buch ist unglaublich umfangreich, hier nur mal die Auflistung der sieben Überkapitel: "Bürgerliche Revolution und Aufschwung der Revolution; Menschenrecht auf Sklaverei - verfassungsgemäß; Ideologen der Sklaverei; Ursachen der Abschaffung von Sklavenhandel und Sklaverei; Nach Abschaffung der Sklaverei - moderne Sklaverei; Sklaverei und Kapitalismus; Universale Menschenrechte unmöglich". Es wird nichts ausgelassen, tragisch auch, wie sich "farbige" (also Kinder von meist weißen Vätern und schwarzen Müttern) teilweise verhalten haben - statt in die eine Richtung zu kämpfen und in die andere solidarisch zu sein, fühlten sie sich als etwas besseres und übernahmen die menschenverachtenden Ansichten der Sklavenhalter. Und Roth lässt ebenso nicht unerwähnt, dass es auch in den Herkunftsländern der versklavten Menschen einheimische Sklavenhändler vor Ort gab, die die "Ware" den Weißen verkauften. Es gäbe auf allen Seiten einiges an Aufarbeitung zu leisten - besonders aber natürlich bei den schon öfter genannten Ländern - allen voran England. "Wenn Großbritannien, die USA, Frankreich und andere Länder heute erklären, dass sie auf dem Boden der Menschenrechte des 17. und 18. Jahrhunderts stehen, erklären sie damit, dass auch heute Demokratie und Menschenrechte politischer und rechtlicher Ausdruck einer bürgerlichen Minderheitenherrschaft sind. Es liegt daher in ihrem Interesse, rückwirkend möglichst alle Spuren zu beseitigen, die unter Beweis stellen, dass die bürgerlichen Menschenrechte nur als Minderheitenrechte ins Leben traten." (S. 616) Ich würde das Buch gerne empfehlen, kann das aber leider nicht uneingeschränkt, weil es mit fast 700 Seiten echt ganz schön umfangreich ist. Und es liegt nicht am über akademischen Schreibstil, ganz im Gegenteil, alles ist sehr verständlich geschrieben - es ist schlicht die schiere Menge an Information, welche mir irgendwann zu viel wurde. Vielleicht gibt es ja mal eine Zusammenfassung, weil am Inhalt liegt es, wie gesagt, nicht. Inhaltlich ist das hier für jeden auf jeden Fall zu empfehlen. Ich habe es jedenfalls überhaupt nicht bereut mich durch das Buch gearbeitet zu haben und bin dem Autor für seine tolle Arbeit dankbar. Ein Begriff, der auch immer mal wieder fällt, worauf hier aber nicht näher eingegangen werden soll: Lohnsklaverei. So, entweder dies schreckt jetzt ab, oder aber du bist überzeugt. Mehr Info zu dem Preis kann man nicht bekommen. Das Thema gehört - auch - in Schulunterricht. Taschenbuch, 698 Seiten, 15,00 Euro , DVS, Schumannstraße 51, 60325 Frankfurt, www.dvs-buch.de, ISBN 978 3 932246 80 7 Dolf Hermannstädter erschienen in TRUST Nr. 185/04 August/September 2017 |
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Stand:15. September 2017 |